PM: Schlagabtausch zwischen Trump und Biden // Rhetorik im Präsidentschaftswahlkampf

Münster, 19. Oktober 2020. Der US-Wahlkampf aus sprechwissenschaftlicher Sicht: Knapp zwei Wochen vor der Wahl liefern sich die Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und Donald Trump am 22. Oktober die zweite TV-Debatte. Nach der ersten hitzigen Debatte wird das zweite Live-Gespräch weltweit mit Spannung erwartet. Die Sprechwissenschaftlerinnen Prof. Dr. Kati Hannken-Illjes und Prof. Dr. Christa Heilmann beleuchten das Auftreten der Kontrahenten Donald Trump und Joe Biden.

Zahlreiche US-Amerikaner*innen haben ihre Stimmen per Briefwahl bereits abgegeben, der Präsidentschaftswahlkampf ist – mitten in der Corona-Zeit – in vollem Gange. Die erste TV-Debatte war ein erregter Schlagabtausch, die zweite Debatte wurde abgesagt. Stattdessen fanden zwei separate Fragerunden statt. Am 22. Oktober folgt der dritte Termin. Was zeichnet den amtierenden Präsidenten Donald Trump und seinen Herausforderer im Gespräch aus? Was sind ihre rhetorischen Strategien, wie treten sie auf und worin unterscheiden sie sich? Die Sprechwissenschaftlerinnen Prof. Dr. Kati Hannken-Illjes und Prof. Dr. Christa Heilmann schauen nach Amerika.

Prof. Dr. Heilmann kommentiert die nonverbale Kommunikation der Redner: „Trumps Körperbewegungen sind statisch und unabhängig vom Gesagten. Es ist kaum eine das Sprechen begleitende oder unterstützende Gestik zu sehen. Die Bewegungen wirken hölzern und stereotyp, aber sehr kraftvoll. Auf diese Weise vermitteln sie trotzdem Power.“ Trump nennt seinen Konkurrenten „Sleepy Joe“ – und es stimmt, Biden agiert weniger offensiv. Professorin Heilmann erklärt: „Die gestischen Bewegungen von Biden fließen koordiniert mit seinem Sprechen. Sie sind weich und zurückhaltend. Dadurch vermitteln sie nicht den Eindruck eines Duells mit einem Widersacher.“ Aber wie kommt das beim Publikum an? Prof. Dr. Hannken-Illjes richtet den Blick vor allem auf die Glaubwürdigkeit der Redner: „Der US-Wahlkampf ist vor allem ein Kampf um das Ethos: das Ethos der Personen und des Landes. Joe Biden versucht zu überzeugen, – und momentan scheint es zu gelingen – indem er sich als guten, ehrlichen Kerl und mitfühlenden, umsichtigen Lenker präsentiert“, erläutert sie und führt fort: „Diese Herstellung des Ethos passiert über zwei Wege: Das Erzählen der Lebensgeschichte von Joe Biden (hier ist sein Alter ein Vorteil, kein Nachteil!) und die Verkörperung von decency: Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit, Demut.“

Über die Expertinnen:

  • Prof. Dr. Kati Hannken-Illjes hat die Professur für Sprechwissenschaft an der Universität Marburg inne. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Verbindung von Argumentation und Narration, Entwicklung von argumentativen Fähigkeiten bei Kindern und lecture performance.
  • Prof. Dr. Christa Heilmann lehrte Sprechwissenschaft an der Universität Marburg und befasste sich in ihrer Forschung intensiv mit den Schwerpunkten Gesprächsforschung und Körpersprache.

Über die DGSS:
Mündliche Kommunikation ist der Schlüssel zu guten menschlichen Beziehungen sowohl auf dem Bildungs- und Wirtschaftssektor als auch im Privatleben. Die Deutsche Gesellschaft für Sprechwissenschaft und Sprecherziehung e. V. (DGSS) ist ein Wissenschafts- und Berufsverband. Er hat das Ziel, mündliche Kommunikation in Lehre und Forschung zu fördern. Sprechwissenschaft und Sprecherziehung beschäftigen sich mit dem breiten Feld mündlicher Kommunikation in all ihren Ausprägungen – vom Bühnensprechen bis zur Gesprächsführung. Ausgebildete Sprecherzieher*innen/Sprechwissenschaftler*innen sind in diesen Bereichen umfassend qualifiziert. Viele Mitglieder des Verbands sind zudem in Forschung und Lehre an Universitäten tätig. Weitere Informationen unter www.dgss.de.